Großeltern gehören zur Familie

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Für Enkelkinder ist es oft ganz klar: Oma und Opa gehören zur Familie. Zahlreiche Untersuchungen belegen das auch. Die Großeltern sind neben den Eltern meist die vertrautesten Bezugspersonen. „Wenn Eltern den Kontakt ihrer Kinder zu den Großeltern in positiver Weise begleiten, dann erwächst daraus eine Schatztruhe, die mit Werten gefüllt wird, die Enkelkindern den Weg zu einer gesunden Entwicklung ebnen“, ist sich Dr. Brita Schönwälder aus Untersiemau sicher. Zum Großelterntag im Oktober letzten Jahres beantwortete die Diplom-Pädagogin und Psychogerontologin Fragen zur Oma-Kind-Beziehung.

Welche Rolle spielt die Familie für Kinder – gerade im Hinblick auf die eigene Identität?

Durch den vertrauten Kontakt zu den Großeltern erleben Kinder eine erweiterte Dimension der Zugehörigkeit zu einem Netzwerk, der Familie. Sie empfinden sich als Teil dieser weit in die Vergangenheit reichenden familiären Verbindungen, deren Kontinuität von den Großeltern über die Eltern auf sie weitergegeben wird. Diese Gewissheit gibt ihnen Orientierung und beantwortet die Frage „Wer bin ich“. Hier finden Kinder die Wurzeln ihrer Identität.

Können Großeltern ihren Enkelkindern die Zukunft „ausmalen“?

Enkelkinder schöpfen lebendiges Wissen aus den Erzählungen der Großeltern. Sie gewinnen auf direkte Weise eine Sicht auf andere Lebensschicksale, die große Herausforderungen an die eigene Bewältigungskraft stellten. Ihnen wird bewusst, auch die Großeltern erlebten unter Umständen schwere Zeiten. Mit dieser Botschaft erhalten die Enkelkinder von Zeitzeugen den wichtigen Beweis „Leben ist lebbar“. Diese Erkenntnis fördert das Zutrauen in die eigene Zukunftsgestaltung und kann zu einer stabilisierenden Kraft in eigenen Lebenskrisen werden.

Inwiefern erweitern Großeltern auch den Horizont der Kinder?

Der Mensch ist ein soziales Wesen und benötigt einen reichen Vorrat an Verhaltensweisen, um sich auf den vielschichtigen Ebenen des Miteinanders behaupten zu können. Großeltern erweitern den sozialen Kontaktrahmen und gewähren, auch durch ihren Freundeskreis, Einblicke in andere Lebensstile und Denkweisen, die zum Vergleich mit dem eigenen Elternhaus und dessen sozialem Umfeld anregen. In gemeinsamen Gesprächen und lebhaften Diskussionen werden neben sprachlichen auch die kognitiven Fähigkeiten angeregt.

Wie gehen Kindern damit um, wenn Großeltern krank werden und sterben müssen?

Die Entwicklung einer emotionalen Bindung zwischen den Generationen ist nur auf der Basis eines guten Einvernehmens zwischen Kindeseltern und Großeltern möglich. Kinder erleben die Großeltern als Teil der Familie. Viele gemeinsame Erlebnisse sowie Unternehmungen schaffen im Lauf der Jahre die Grundlage, die das Band der Generationen festigt.
Diese emotionale Beziehung gewinnt ihre besondere Bedeutung für die Zeit, wenn Großeltern geistig wie auch körperlich nicht mehr fit und attraktiv, sondern hinfällig den Verlusten des Alters ausgeliefert sind.
Dann trägt das Fundament emotionaler Bindung Kinder über diese Schwelle hinweg und stützt den Erhalt der Nähe zu ihren Großeltern. Diese positive Haltung dem Schwachen gegenüber ist der Kitt einer psychisch gesunden Gemeinschaft. Langsam, aber unaufhaltsam begegnen die Enkelkinder einer traurigen Realität. Die geliebten Großeltern gleiten in eine ihnen fremde Lebensphase, die sie ahnend als Abschied erkennen.

Wie kommt es, dass Enkelkinder so eine große Vertrautheit zu den Großeltern spüren?

Gelassenheit und Ruhe im Miteinander machen es möglich, dass die Ebene des Vertrauens sich zu einer emotionalen Ebene des Vertrautseins erweitert. Die Zeit im Zusammensein mit den Großeltern unterscheidet sich von dem strengen Zeittakt, der häufig das Leben der Eltern bestimmt. Enkelkinder genießen die Ruhe und Gelassenheit im Zusammensein mit vertrauen Menschen, die diesen Lebensanforderungen nicht mehr unterworfen sind. Sie teilen ihre Interessen gerne mit den Großeltern und möchten sie an ihren Hobbys teilhaben lassen. Natürlich nehmen sie es dankbar an, wenn die Großeltern nicht nur ein offenes Herz haben, sondern manchmal auch handfeste Geschenke mitbringen.

Welchen Wert haben gemeinsame Aktivitäten?

Alltägliche Aktivitäten wie Backen und Kochen mit den Großeltern haben einen hohen Stellenwert in der Beliebtheitsskala bei Kindern. Großeltern binden ihre Enkel in diese Tätigkeiten ein und diese genießen die gelassene Atmosphäre der Vorbereitungen und des Kochens. In der gemeinsamen Mahlzeit „lebt“ auch ein Stück Handlung des Enkelkindes. Das tut gut, das schmeckt gut und hebt das Selbstgefühl.

Warum fühlen sich Kinder in den „fremden“ Wohnungen der Großeltern oft so wohl?

Das Wohnumfeld der Großeltern übt eine besondere Anziehungskraft auf Enkelkinder aus. Hier darf man sich etwas anders verhalten als zu Hause. Es geht weniger streng zu und vielem wird mit nachsichtiger Toleranz begegnet. Großeltern können den großen Vorteil genießen, dass ihnen in der Gestaltung der Beziehung zu ihren Enkeln ein verhältnismäßig großer Freiraum offensteht, denn sie sind entlastet von direkter Erziehungsverantwortung. Außerdem sind längere Aufenthalte bei den Großeltern meistens mit Zeiten verbunden, die frei von Verpflichtungen wie Schule oder anderen Zwängen sind. Großeltern ermöglichen Enkelkindern oft individuelle Freiräume.

In Krisenzeiten werden Großeltern zu wichtigen Bezugspersonen

Welche Rolle spielen Oma und Opa in Krisenzeiten?

Familien sind nicht nur Orte gemeinschaftlichen Glücks, sondern leider auch Herde von Zerwürfnis und Leid. Dieses Leid kann von Krankheit, Arbeitsplatzverlust bis Scheidung viele Gesichter haben. Ehen sind vielfach gefährdet. Die Vereinbarungen auf lebenspartnerschaftlicher Ebene zusammen zu bleiben, verlieren immer öfter ihren Verpflichtungscharakter. Kindern fehlt dann der wichtigste soziale Raum für Vertrautheit und Zusammengehörigkeit. Die Eltern sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und die Kinder bleiben mit ihrer Verzweiflung allein. Wenn eine gute Beziehung zu Großeltern besteht, können sie sich in ihrer Ratlosigkeit an die Großeltern wenden. In Krisenzeiten werden Großeltern zu wichtigen Bezugspersonen. Bei ihnen können verunsicherte Kinder Hoffnung auf Kontinuität und Problembewältigung finden.

Was aber, wenn Eltern ihren Kindern den Kontakt mit den Großeltern verbieten?

Leider geschieht das in unserer Gesellschaft immer häufiger und die Beweggründe dafür lassen sich auf zwei Ebenen beobachten. In der Mehrzahl der Scheidungen oder Trennungen erhält die Mutter das überwiegende Sorgerecht. Es ist nachgewiesen, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil der sorgeberechtigten Mütter alle ihnen verfügbaren Mittel einsetzen, um den Kontakt ihrer Kinder zum Vater und auch zu den Verwandten des Vaters zu unterbinden. Davon sind viele Kinder und Großeltern betroffen. Sie müssen erleben, dass der elterliche Zwist sowohl sie selbst als auch ihre Enkel emotional hoch belastet.

Auch in sogenannten „normalen“ Familien geschieht es immer häufiger, dass Eltern ein Kontaktverbot ihrer Kinder zu den Großeltern verhängen. Diese Entwicklung ist relativ neu, zeigt aber eine steigende Tendenz. Kindeseltern können von heute auf morgen sagen: Wir verbieten den Kontakt! Nach deutschem Recht müssen sie diesen Schritt nicht einmal begründen. Vielfach wissen die Kindeseltern gar nicht, was sie ihren Kindern damit antun. Der Verlust des Kontaktes zu den Großeltern bedeutet für Kinder eine psychische Belastung mit lebenslangen Narben, die in vielen Fällen erst Jahre später in verschleierter Form seelischer Nöte zutage treten.

Großeltern haben gegen ein Kontaktverbot vor Gericht keine Chance, weil die Rechtslage in Deutschland den Großeltern keine Rechte in dieser Frage zubilligt. In Frankreich müssen Eltern begründen, warum sie den Kontakt zu den Großeltern verbieten. In Deutschland müssen die Großeltern im Streitfall den Nachweis erbringen, dass der Kontakt zu den Großeltern dem „Wohle“ des Enkelkindes dient. Dagegen müssen in Frankreich die Eltern nachweisen, dass der Kontakt zu den Großeltern ihrem Kind schadet. Es handelt sich um eine Umkehr der Beweislast. Gerichtliche Urteile auf einer Rechtsgrundlage wie in Frankreich wären für das Kindeswohl ein Gewinn.

Interview: Christiane Lehmann, erschienen in der Coburger Zeitung Okt. 2020

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