Besser als sein Ruf – Nachhaltiger Wintersport
Skifahren?
Skifahren? Kann man nicht mehr verantworten, zerstört schließlich die Berge und heizt den Klimawandel an! Mit solchen Aussagen wird man als aktiver Schneesportler regelmäßig konfrontiert.
Sollte man als Familie daher auf diese wundervolle Aktivität und Urlaubsform, bei der man wie bei kaum einer anderen gemeinsam mit Oma, Opa und dem Nachwuchs vom Kleinkind- bis ins Teenageralter Bewegung in der Natur genießen kann, verzichten?
Muss man nicht, denn mit der Wahl des richtigen Ziels sind Skiferien mit einem überraschend geringen ökologischen Fußabdruck möglich.
Für mich ist der Skiurlaub die schönste denkbare Urlaubsform. Das beginnt mit der klaren Struktur der Tage: Aufstehen, Frühstücken, Anziehen, gemeinsam mit der ganzen Familie (auch dem längst ausgezogenen Teil) auf die Piste, Skifahren bis die Beine brennen, abends genussvoll die verbrauchten Kalorien ersetzen, noch eine Runde Doppelkopf spielen, ermattet ins Bett fallen und sofort einschlafen. Kein ständiges Ausverhandeln, was denn nun gemacht, besichtigt oder unternommen wird, einfach herrlich – und herrlich einfach.
Und dann natürlich das Skifahren selbst. Das Erlebnis von Fliehkräften und Geschwindigkeit in einer wunderschönen Landschaft, die klare Winterluft, das Knirschen oder Stieben des Schnees, je nachdem, ob es auf oder abseits der gewalzten Hänge durch die Gravitation beschleunigt zu Tal geht, das Lächeln auf den Gesichtern der Liebsten, der fast rauschhafte Flow, der sich einstellt, wenn die Bewegungen zum Spiel mit dem Gelände werden. Kann das Sünde sein?
Hauptverantwortlicher für fast alle Probleme?
Schlägt man jetzt im Herbst die Zeitungen auf oder outet sich im Bekanntenkreis als Skifahrer, dann gewinnt man den Eindruck: ja!
Es scheint dann nicht selten so, als sei man wegen dieser Leidenschaft Hauptverantwortlicher für fast alle Probleme: Energiekrise, Wassermangel, Artensterben, Erosion, Klimawandel.
Und den Skisport noch zu erlernen mache ja sowieso keinen Sinn mehr, weil es ohnehin keinen Schnee mehr gäbe. Mir versetzen solche Aussagen stets einen Stich ins Herz. Ich wollte daher wissen: Ist Skifahren wirklich das Böse?
Ist Skifahren wirklich das Böse?
Die Einleitung zu diesem Text weist mich zweifelsohne als befangen aus. Aber: ich liebe den Schnee eben und will daher unbedingt, dass es ihn auch in Zukunft noch gibt. So geht es auch den Menschen, die in der Wintersportbranche arbeiten.
Nicht nur, weil sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern auch, weil sie häufig eher wegen ihrer Begeisterung für den Sport, den Schnee und die Berge dort gelandet sind. Ist es allzu weit hergeholt, ihnen ein gewisses Interesse daran zu attestieren, das zu schützen, wofür sie brennen und was sie ernährt?
Erkennen sollte man das an den Taten der Akteure. Daher kommt hier ein Faktencheck, der die vier wichtigsten Kritikpunkte am Wintersportbetrieb aufgreift:
Energieverbrauch
Der wird besonders stark kritisiert, vor allem der für die technische Beschneiung, die der BUND als „Symbol menschlicher Unbelehrbarkeit in Zeiten des Klimawandels“ bezeichnet.
Nach einer Studie des österreichischen Umweltbundesamtes verantwortet der gesamte Wintertourismus in der Alpenrepublik einschließlich Gastronomie und Beherbergung 0,9 Prozent des landesweiten Endenergieverbrauchs.
Ist das jetzt viel oder wenig? Woran soll man das festmachen? Vielleicht daran, was mit diesem Energieeinsatz „hergestellt“ wird.
Ein gängiger Vergleichsmaßstab für volkswirtschaftlichen Output ist das Bruttoinlandsprodukt. Zu diesem trägt der Wintertourismus in Österreich rund 4,1 Prozent bei – das 4,5-fache des anteiligen Energiebedarfs. Skigebiete setzen die Ressource Energie also effizienter als die Gesamtwirtschaft ein.
Randnotiz: Die Tabakverarbeitung benötigt in Deutschland pro Jahr fünf Mal so viel Energie wie die deutschen Skigebiete und verursacht damit auch noch hohe Folgekosten im Gesundheitswesen, während Skifahren die körperliche und mentale Gesundheit fördert. Die Getränkeherstellung braucht 70 Mal so viel Energie, dabei reicht zum Leben auch Leitungswasser – womit wir beim nächsten Kritikpunkt wären.
Klimawirkung
Skigebiete beziehen ihren Strom wegen des für sie so wichtigen Klimaschutzes zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil aus regenerativen Quellen.
Österreichweit sind es rund 90 Prozent, in Deutschland waren es im Winter 2021/22 knapp 80 Prozent, Tendenz steigend.
Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien am Strommix in Deutschland betrug im 1. Halbjahr 2022 insgesamt nur 49 Prozent. Zudem erzeugen Skigebiete ihren Strom zunehmend selbst. Ihr Standort im Gebirge prädestiniert sie dazu, denn die Berge bieten überdurchschnittlich viele Sonnenstunden (dank des Schnees erzielen PV-Anlagen hier auch im Winter eine hohe Ausbeute), sind besonders windreich und können dank der Topografie auch Wasserkraft nutzen.
Wegen der Ökostromnutzung verbleiben als Quelle für eine negative Klimawirkung vor allem die Pistengeräte, die klassischerweise mit Dieselkraftstoff fahren.
Zwar verbraucht ein Skigebiet für die Pistenpflege pro Skifahrertag nur das Äquivalent einer 0,33 Liter-Dose Bier, aber in Summe kommt dann eben doch einiges zusammen.
Immer mehr Skigebiete setzen daher auf HVO als Kraftstoff, obwohl dieser deutlich teurer als Diesel ist. Aber er ist frei von fossilen Energieträgern und reduziert den CO2-Ausstoß gegenüber herkömmlichem Diesel um bis zu 90 Prozent.
Wasserverbrauch
Für die technische Beschneiung werden alpenweit rund 125 Millionen Kubikmeter Wasser eingesetzt. Viele kritisieren das als zu viel und untermauern diese Einschätzung durch Vergleiche wie „die dreifache Menge, die die Millionenstadt München verbraucht“.
Wasser ist ein sensibles Thema, denn ohne Wasser kein Leben und so liest man auch immer wieder, die Beschneiung trockne die Alpen aus. Zur Beurteilung muss man sich vergegenwärtigen, dass das fürs Schneemachen verwendete Wasser zur Schneeschmelze fast vollständig in Trinkwasserqualität zurück in den örtlichen Wasserkreislauf fließt; nur rund 20 Prozent entweichen durch Verdunstung in die Atmosphäre – es entsteht keinerlei Abwasser und man kann daher eigentlich gar nicht von „Wasserverbrauch“ sprechen.
Trotzdem erscheint die Menge viel. Im Verhältnis zu dem, was jährlich auf die Alpen als Niederschlag hinabfällt, ist es aber eher wenig. Das sind mindestens rund 300 Milliarden Kubikmeter. Für die Beschneiung werden davon 0,04 Prozent aufgewendet. Rechnet man nur die Menge, die verdunstet, sind es 0,01 Prozent. Schwer zu glauben, dass deswegen die Alpen auszutrocknen drohen.
Randnotiz: Mit den 42 Millionen Kubikmetern, die in Österreich verschneit werden, erzielen die Skigebiete allein Kassenumsätze mit Lifttickets in Höhe von 1,5 Mrd. Euro. Das bedeutet gut 35 Euro pro Kubikmeter. Für die Produktion von einem Liter Bier werden 300 Liter Wasser eingesetzt. Pro verkauftem Liter erzielte die deutsche Brauindustrie 2019 knapp einen Euro Umsatz, also gerade mal 3,30 Euro pro eingesetztem Kubikmeter Wasser – das zudem hinterher Abwasser ist.
Landschaftsverbrauch
Die Skiabfahrten in den Alpen würden aneinandergereiht fast einmal um den Erdball reichen, kritisiert der Deutsche Alpenverein. Zudem würden ständig neue hinzukommen. Diese „Erschließungsspirale“ müsse unbedingt gestoppt werden, da die Skigebiete schon heute Lebensräume zerschneiden und so nicht nur die Landschaft verschandeln, sondern auch den Artenschutz gefährden würden.
Tatsächlich erstrecken sich sämtliche Skipisten der Alpen über gerade mal 0,3 Prozent ihrer Gesamtfläche. Diese Fläche ist nach Auffassung von Dr. Ulrike Pröbstl-Haider, Professorin am Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung von der Universität für Bodenkultur in Wien schlicht zu gering, als dass von ihr eine spürbare Beeinträchtigung von Lebensraumverbünden ausgehen könnte.
Dafür spricht auch die Rückkehr bereits ausgestorbener Tierarten wie Steinbock, Luchs, Wolf oder Bär in vielen Alpenregionen – auch solche mit überdurchschnittlicher skisportlicher Nutzung.
Die derart genutzten Flächen nehmen unter dem Strich auch nicht zu. Überall in den Alpen gibt es bei der Zahl der Skigebiete, Liftanlagen und Pistenkilometer schon seit Jahrzehnten nur eine Richtung: nach unten.
Am Höhepunkt des Ausbaustands im Jahr 2001 zählte zum Beispiel Frankreich nach Angaben der staatlichen Seilbahnbehörde 4038 Liftanlagen, zwanzig Jahre später sind es nur noch 3113 – eine massive Entdrahtung der Berge.
Die findet auch im Rest der Alpen statt. Im italienischen Piemont etwa, sind von den einstmals fast 100 Skigebieten schon 44 verschwunden.
Skifahren ein Auslaufmodell?
Spricht das nicht dafür, dass Skifahren wegen des Klimawandels eben doch ein Auslaufmodell ist? Nicht unbedingt.
In den Boomzeiten der schneereichen 60er-Jahre entstanden viele Skigebiete an Standorten, die man schon damals bei Betrachtung längerer Klimareihen als nicht schneesicher hätte ausmachen können.
Aber einen Lift zu bauen kostete im Gegensatz zu heute nicht viel Geld, im besten Fall hatte man die Investition nach einem guten Winter wieder drin.
Wirtschaftlich, auch das ist ein Aspekt von Nachhaltigkeit, kann man Skigebiete heute nur noch an starken Standorten betreiben. Winter wie der letzte trennen die Spreu vom Weizen.
Trotz der verbreiteten Schreckensmeldungen zu mangelndem Schnee brachte er in Lagen oberhalb von 1500 Meter Seehöhe Rekordschneemengen. Auch niedriger gelegene Skigebiete sind heutzutage trotz geringerer Naturschneemengen schneesicherer als in den 60-er oder 70-er Jahren. Wegen der technischen Beschneiung. Deren Dämonisierung ist angesichts der Fakten schwer nachvollziehbar. Mein Fazit ist, dass das auch für das Skifahren insgesamt gilt – sogar objektiv.
Umweltfreundlich Ski fahren
Die folgenden Wintersportziele sind nicht nur per Bahn erreichbar, sie tun sich auch durch besonders weitreichende Maßnahmen zum Umweltschutz, zur Ressourceneinsparung und Emissionsreduzierung hervor:
• Oberstdorf-Kleinwalsertal Bergbahnen (www.ok-bergbahnen.de)
• Golm (www.golm.at)
• Silvretta Montafon (www.silvretta-montafon.at)
• Schmittenhöhe (www.schmitten.at)
• Carezza (www.carezza.it)
Die Skigebiete geben zum Teil Tipps für einen umweltfreundlichen Skitag oder halten ihre Nachhaltigkeitsberichte zum Download bereit.
Buchtipp: Schneelust: Die schönsten Ziele für nachhaltigen Wintersport in Europa, Polyglott, 29,00 EUR.
Kinderfreundliche Skigebiete stellen wir euch ihr in unserer Rubrik Winter vor.
Text: Christoph Schrahe