Wie Kinder zu selbstständigen Menschen werden

Wie Kinder zu selbststaendigen Menschen werden Bindungsforschung Baby Kinder Erziehung Familie

Wie werden Kinder zu selbstständigen Menschen?

In beinahe allen Familien stellt sich irgendwann die Frage, wie Kinder zu selbstständigen Menschen werden. Was können Eltern tun, damit aus ihren Kinder ein selbstständiger Menschen wird? Die Entwicklung der Selbstständigkeit beginnt weit früher, als man denkt. Sie beginnt mit einer sicheren Bindung an die Eltern. Und auch das Schlafverhalten hat einen Einfluss. Aber wie hängen Schlafen, eine sichere Bindung und Selbstständigkeit zusammen? Wie helfe ich meinem Baby, damit es nachts durchschlafen kann? Diese und andere Fragen beantwortet Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch. Um Eltern bei diesem Thema zu unterstützen hat er ein Buch „SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern“ geschrieben und werden deutschlandweit in vielen Städten, darunter auch München, SAFE®-Kurse angeboten.

Ein Interview mit dem Bindungsforscher Karl Heinz Brisch

Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch ist einer der wichtigsten Forscher zur Eltern-Kind-Bindung. Er leitet die Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilian-Universität München und ist neben seiner Lehrtätigkeit an dem Psychoanalytischen Institut Stuttgart unter anderem auch Autor zahlreicher Bücher. Er hat den weltweit ersten Lehrstuhl für Early Life Care inne und leitet das gleichnamige Forschungsinstitut an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg. Wir haben uns mit ihm in München getroffen, um ihn zu fragen, wie Kinder zu selbstständigen und selbstsicheren Menschen werden. Darüber hinaus haben wir ihn nach dem Schlafverhalten von Kindern befragt und danach, in welcher Schlafumgebung Eltern und Kinder die Nacht am besten zum Schlafen und Erholen nutzen können.

Herr Brisch, als Eltern wünscht man sich, dass das eigene Kind selbstständig und selbstbewusst die Welt entdeckt. Ist dieser Wunsch bei allen Eltern weltweit vorhanden?

Die ausgeprägte Betonung auf Selbstständigkeit und Autonomie finden wir vor allem in Europa – und da besonders in Westeuropa, wie beispielsweise in Deutschland oder Großbritannien, aber auch in den USA. In vielen Teilen der Welt haben Eltern eher andere Vorstellungen, wie ihr Kind werden soll. In Japan zum Beispiel wünschen sich Eltern vor allem, dass ihr Kind intelligent wird. Da hat die Bildungsförderung einen ganz hohen Stellenwert. Dabei bleibt das Kind eng mit dem Familienverband verbunden. Wenn das Kind etwas lernt, dann ist das ein Zugewinn für die ganze Familie – und wenn es scheitert, dann scheitert die ganze Familie. In Deutschland wird jedes Kind alleine betrachtet. Hat das Kind Erfolg, sind die Eltern stolz auf das Kind, aber die Leistung wird dem Kind alleine zugeschrieben.

Was bedeutet diese Individualisierung für die Beziehung zwischen Eltern und Kindern?

In Deutschland haben Kinder normalerweise eine Beziehung zur Mutter und eine Beziehung zum Vater und daraus erkunden sie ihre Welt. In anderen Kulturen gibt es mehr eine Gruppenbindung. Das heißt, die Familie als Gemeinschaft gibt Sicherheit für das Kind und kümmert sich gemeinsam. Da heraus entwickelt sich das Kind und dadurch bezieht sich sein Handeln auch immer wieder auf die Familie. In Europa war dies bis zum Beginn der Industrialisierung noch ähnlich. Durch die Rauslösung aus der Großfamilie erfahren Eltern heute einen größeren Stellenwert als Bindungspersonen für ihre Kinder.

Wenn man als Eltern möchte, dass das eigene Kind zu einem selbstständigen und selbstbewussten Individuum heranwächst, was kann man dafür tun?

Das Wichtigste dafür ist eine sichere Bindung an die Eltern oder an andere verlässliche Bindungspersonen. Diese sichere Bindung, die wir auch Ur-Vertrauen nennen, ist das Fundament der Persönlichkeit und die Basis der kindlichen Entwicklung. Von da aus wollen Kinder selbstständig ihre Welt erkunden. Man kann sagen, dass die Eltern als sicherer Hafen fungieren. Merkt das Kinder beim Erkunden, dass es unsicher oder gefährlich wird, hat es die Gewissheit, immer in seinen sicheren Hafen zurückkehren zu können. In dem sicheren Hafen kann es sich beruhigen, wieder auftanken und dann wieder zu neuen Erkundungen starten. Die Gewissheit eines sicheren Hafens ist die beste Voraussetzung, um selbstständig die Welt zu erkunden.

Was können Eltern dafür tun, dass ihr Kinder zu ihnen eine sichere Bindung entwickelt?

Eltern müssen sich feinfühlig auf die Signale ihres Kindes einlassen und dessen Bedürfnisse einigermaßen zufriedenstellend beantworten. Wenn Eltern also ihre gesamte Interaktion wie Wickeln, Spielen oder Ins-Bett-Bringen einigermaßen feinfühlig gestalten, werden sich ihre Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit sicher an sie binden. Dies ist unabhängig davon, ob die Eltern die leiblichen Eltern sind oder nicht. Dies geschieht auch bei Pflegeeltern oder bei Adoptiveltern – und auch bei Tagesmüttern.

Ist es förderlich für ein Kind, mehrere Bindungspersonen zu haben?

Wenn Kinder mehrere Bindungspersonen haben, haben sie mehr Sicherheit – und so werden letzten Endes auch die Eltern in ihrer Funktion als Hauptbindungspersonen unterstützt. Kinder mit mehreren Bindungspersonen haben so ein Netz an sicheren Häfen, und wenn sie in der Welt unterwegs sind, dann können sie mal hier, mal da vor Anker gehen und müssen nicht jedes Mal nach Hause zurück, wenn sie sich unsicher fühlen oder emotional auftanken müssen. Eine sichere Bindung entsteht jedoch nicht von heute auf morgen. Sie erfordert nicht nur feinfühliges Verhalten, sondern auch Zeit.

Welches Verhalten führt eher dazu, dass Kinder an den Eltern klammern und Angst haben sich von ihnen zu entfernen?

Wenn Eltern sich nicht feinfühlig auf die Signale des Kindes einlassen und diese unzufriedenstellend beantworten, also die Signale zurückweisen, nicht wahrnehmen, oder gar das Kind vernachlässigen und Gewalt ausüben. Trotzdem bleiben die Eltern die Bindungspersonen. Das Kind bindet sich jedoch in einer ängstlichen oder bindungsgestörten Art und Weise an die Eltern. Dadurch hat es dieses Urvertrauen und die Sicherheit des sicheren Hafens nicht. Wenn Eltern dann sehr ehrgeizig ihr Kind fördern wollen und in die Welt hinaus schicken, wird das Kind ängstlich reagieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind dann diese Angst irgendwo kompensiert und emotionale Schwierigkeiten entwickelt, ist sehr groß. Durch die fehlende Sicherheit kann das Kind die Loslösung und Autonomie – mit einem guten Gefühl von emotionaler Sicherheit – nur schwer oder gar nicht bewältigen.

In welchem Zusammenhang steht die sichere Bindung des Kindes mit seiner Entwicklung?

Die sichere Bindung an die Eltern spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei der psychischen Entwicklung des Kindes. Diese entscheidet am Ende, ob das Kind mit seinem Leben glücklich und zufrieden wird. Man kann ja sehr begabt und erfolgreich sein, bis hin zum Nobelpreis. Wenn man aber nicht liebes- und beziehungsfähig ist, wird man mehr oder weniger zeitlebens unglücklich sein. Denn gute und glückliche Beziehungen entscheiden darüber, ob wir in unserem Leben zufrieden sind.
Sicher gebundene Kinder haben unter anderem auch eine bessere Sprachentwicklung, können ausdauernder auf Ziele hinarbeiten und sind besser in der Lage, sich in andere Menschen hinein zu versetzen.

Damit sich ein Kind gut entwickeln kann, das müssen seine Eltern feinfühlig auf es eingehen. Was bedeutet dies genau?

Wenn ein Baby weint, müssen die Eltern interpretieren, was das bedeutet. Ist es Hunger, Durst, Langeweile, Schmerz, zu laut, zu leise, zu heiß, zu kalt, zu viel Reize oder zu wenig etc.? Die Eltern müssen irgendwie herausfinden, was der Grund des Weinens ist und entsprechend darauf reagieren. Wenn das Baby Hunger hat, muss es gestillt oder gefüttert werden. Hat das Baby Angst, reicht es vielleicht, es auf den Arm zu nehmen. Wenn das Baby eine Wut hat, weil gerade etwas nicht so funktioniert, wie es das möchte, müssen die Eltern es trösten und in seiner Wut begleiten – und beispielsweise nicht stillen oder ihm den Schnuller geben. Es passiert ganz oft, dass Eltern dem Baby etwas anbieten, das nicht zu dessen Bedürfnis passt. Wenn Eltern dies merken, können sie es korrigieren und herausrätseln, was es dann sein könnte. Wenn Eltern aber beharren, also dem Baby etwas aufdrängen, was nicht seinen Bedürfnissen entspricht, dann ist das nicht feinfühlig.
Wenn beispielsweise ein Kind satt ist und nicht mehr weiter essen kann, müssen seine Eltern dies wahrnehmen. Das richtige Verhalten der Eltern wäre es dann, den Teller Essen wegzustellen und dem Kind zu gestatten, das Essen zu beenden. Es passiert aber oft, dass Eltern darauf beharren, dass das Kind weiter isst. Dann bekommt das Kind Angst. Mit dieser Angst kann es dann schlecht zu seinen Eltern gehen, weil seine Eltern ja diejenigen sind, die ihm Angst machen. Gibt es solche und ähnliche Situationen häufiger, dann entsteht mit der Zeit eher eine unsichere Bindung.

Kann man sagen, dass Eltern im Normalfall lernen, die Kommunikation ihres Babys richtig zu interpretieren?

Wenn Menschen selber bindungssicher sind, also selber eine sichere Bindung zu ihren Eltern haben, dann lernen sie ganz schnell, ihr Baby richtig zu interpretieren und angemessen darauf zu reagieren. Diese Menschen haben selber erfahren, wie jemand ihre Signale richtig gelesen und prompt, feinfühlig und zuverlässig darauf reagiert hat. Wenn Menschen das aber selber nicht erlebt haben, fällt es ihnen schwer, feinfühlig auf die Bedürfnisse ihres Babys zu reagieren. Bindungsgestörte Menschen wissen gar nicht, wie ein feinfühliges Verhalten funktioniert.

Welchen Ratschlag würden Sie werdenden Eltern geben, damit sie sich bereits vor der Geburt ihres Babys auf die schwierigen Momente des Elternseins vorbereiten können?

Neben einem Geburtsvorbereitungskurs sollten werdende Eltern auch einen SAFE®-Kurs (Sichere Ausbildung für Eltern) während der Schwangerschaft besuchen. In dem SAFE®-Kurs erlernen Eltern die Kommunikation mit ihrem Baby und einen feinfühligen Umgang. Wenn das Baby erst mal da ist, dann sind die Prioritäten oft andere. Es ist vielleicht wie mit einem Segelkurs. Das Lesen der Wellen und der sich anbahnenden Stürme lernt man auch zunächst auf dem Trockenen und nicht erst auf stürmischer See. Wenn man die Theorie des Segelns beherrscht, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man das auch auf dem Boot hinbekommt, wenn das Meer rauh ist.
Unsere Forschung zeigt, dass die SAFE®-Kurse funktionieren. Es haben mehr Kinder eine sichere Bindung zu ihren Eltern, wenn ihre Eltern neben Kursen wie einem Geburtsvorbereitungs-, einem Wickel- oder einem Stillkurs auch einen SAFE®-Kurse besucht haben. Besonders die werdenden Väter profitieren ebenfalls sehr von unseren Kursen.

Was kann man als Elternteil unternehmen, wenn das Kind schon da ist und man merkt, dass man immer wieder keine Kapazitäten hat, um angemessen und unmittelbar darauf zu reagieren?

Dann sollte man sich ganz schnell Hilfe holen. Als Eltern muss man sich immer wieder ausruhen können. Wenn man müde und erschöpft ist, dann wird man unfeinfühlig. Pausen und Auftanken sind daher ganz wichtig für Eltern. Die Unterstützung zum Ausruhen kann der andere Elternteil sein, die Großeltern oder jemand aus dem Bekanntenkreis, damit man in schwierigen Zeiten nicht überfordert ist. Und schwierige Zeiten gibt es immer wieder im Familienalltag: Ein Baby zu haben, ist anstrengend. Aber Freude und Glück sind mit einem Kind natürlich auch gänzlich anders. Mit Babys ist das ganz besonders so, weil sie einfach ein ziemliches Wunderwerk sind, wie sie sich entwickeln und nach einem Jahr laufen können und Papa und Mama sagen.

Die SAFE®-Kurse wurden von Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch gemeinsam mit einem Team von Psychologen und in Zusammenarbeit mit der LMU München entwickelt. Sie basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und unterstützen werdende Eltern darin, eine positive Eltern-Kind-Beziehung aufzubauen und dadurch den Grundstein für die weitere gesunde Entwicklung ihres Kindes zu legen. SAFE®-Kurse werden deutschlandweit angeboten und richten sich an werdende Eltern bis etwa zum 7. Schwangerschaftsmonat.

Fragen zum Schlafen und Einschlafen

Eine häufige Frage, die junge Eltern gestellt bekommen, ist, ob ihr Baby bereits durchschlafen kann. Ab wann sind Babys in der Lage, nachts durchzuschlafen?

Kinder schlafen ganz lange nicht durch. Das ist wissenschaftlich gut untersucht. Babys wachen im ersten Lebensjahr im Durchschnitt nachts sechs bis sieben Mal auf. Dies hat viele Gründe: weil sie Hunger haben, weil sie schon anfangen, die Erlebnisse des Tages in ihrem Träumen zu verarbeiten, weil die Verdauung sie plagt, etc. Deswegen ist die Botschaft an Eltern ganz wichtig: Babys schlafen nicht durch. Das ist die Norm. Es gibt ganz wenige Babys, die wach werden, mit geschlossenen Augen im Bett liegen und dann wieder einschlafen, ohne dass die Eltern merken, dass sie wach waren. Im Schlaflabor sieht man aber an den Hirnstromkurven eindeutig, dass diese Babys wach sind. Die Eltern denken aber morgens, ihr Kind habe die ganze Nacht durchgeschlafen. Diese Babys sind aber absolut die Ausnahme. Manche Babys wachen auch auf, machen ein paar Geräusche und schlafen dann wieder ein. Die allermeisten Babys jedoch wachen auf, sehen dass es dunkel ist, spüren die Eltern nicht in ihrer Nähe und haben Angst. Deswegen weinen sie und rufen nach den Eltern. Das ist evolutionär gesehen ganz wichtig und sehr normal.

Wie sieht die ideale Schlafumgebung für das Baby aus, damit die ganze Familie morgens ausgeschlafen ist?

Weltweit schlafen 85-90% der Babys in engem Kontakt zu den Eltern. Wenn sie wach werden, spüren sie die Nähe der Eltern, werden möglicherweise gestillt und schlafen dann wieder ein. Die Mutter merkt das kaum und kann morgens gar nicht sagen, wie oft sie nachts gestillt hat. Wenn die Mutter nachts allerdings aufstehen, möglicherweise ins andere Zimmer gehen und das Baby hochnehmen muss, um es dann zu stillen und wieder in sein Bettchen zu legen, dann ist sie danach müde und wach. Wenn Mütter das drei bis vier Mal in der Nacht machen, erschöpft sie das.
Eine ideale Schlafumgebung, damit alle morgens ausgeschlafen sind, bedeutet also eher, dass das Baby dicht bei den Eltern schläft, beispielsweise direkt im Elternbett oder in einem Babybay. Dadurch muss die Mutter nachts nicht aufstehen, sondern kann ihr Baby liegend einfach kurz zu sich rüber ziehen, es stillen und dann wieder zurück schieben. Wenn das Baby wach wird, kann die Mutter – oder der Vater – ganz einfach die Hand leicht drauf legen, das Baby leicht schaukeln und beruhigen. Dadurch spürt, riecht und hört das Baby die Eltern und schläft komplett anders, als wenn es alleine in einem Raum läge.
In den Ländern der Welt, wo Babys in direktem Kontakt zu ihren Eltern schlafen, kennt man Schlafstörungen bei Babys nicht. Schlafstörungen bei Babys sind wahrscheinlich ein kulturgemachtes Problem.

Ab wann können Kinder nachts alleine in ihrem Bett durchschlafen?

Kinder schlafen in der Regel erst im späten Kindergartenalter durch.
Wenn Kinder zwei oder drei Jahre alt sind, gibt es oft den Nachtschreck. Darin verarbeiten und verdauen Kinder die Erlebnisse des Alltags. In dieser Zeit träumen Kinder sehr intensiv und wachen auch immer wieder durch Albträume auf. Und der sicherste Ort bei Albträumen ist natürlich eng bei den Eltern im Bett.
Kinder, die schon selbst aus dem Bett aussteigen können, kommen dann nachts zu den Eltern ins Bett. Aus Studien wissen wir, dass die allermeisten Kleinkinder in Deutschland nachts nicht alleine in ihrem Bett schlafen, sondern irgendwann im Laufe der Nacht in das Bett der Eltern wandern. Nur wird dies nicht so gerne erzählt, da es bei uns die Vorstellung gibt, dass Kinder nachts alleine in ihrem Bett schlafen sollen.

Wenn man als Eltern das Schlafzimmer wieder für sich alleine haben möchte, ab wann ist ein guter Zeitpunkt, um sein Kind daran zu gewöhnen, in einem eigenen Zimmer zu schlafen?

Wichtig ist, dass Eltern sich damit wohl fühlen, dass ihr Kind mit in ihrem Schlafzimmer schläft. Wenn Eltern sich eigentlich dadurch gestört fühlen, dann spürt dies ihr Kind natürlich auch. Sobald Eltern sich nicht mehr wohl damit fühlen, ist es in Ordnung, wenn ihr Kind in einem eigenen Zimmer schläft. Dies kann z. B. im 2. Lebensjahr sein. Für das erste Lebensjahr wird empfohlen, dass das Baby zumindest gemeinsam im gleichen Raum mit den Eltern schlafen soll. Unter diesen Bedingungen wurde weniger häufig ein plötzlicher Kindstod des Säuglings beobachtet, als wenn das Baby schon im ersten Lebensajhr alleine in einem eigenen Zimmer schlief.
Dringend abzuraten ist davon, sein Baby durch ein Verhaltenstraining an das Schlafen in einem eigenen Raum zu gewöhnen. Bei diesen Schlafprogrammen lässt man das Baby beispielsweise am ersten Abend fünf Minuten, am zweiten zehn Minuten, am dritten fünfzehn und so weiter alleine in seinem Bett liegen, bevor man den Raum wieder betrifft. Auch wenn es weint, geht man vor Ablauf dieser Zeit nicht wieder hinein. Babys sind sehr klug und lernen schnell, dass niemand kommt, auch wenn sie rufen. Diese Methode beruht auf einer Art Desensibilisierung der angeborenen Bedürfnisse des Kindes nach Bindung, Schutz und Sicherheit, besonders nachts. Die aus dem Dritten Reich stammende rigorose Einstellung, Kinder nachts weinen zu lassen, ist heute längst überholt. Kinder soll man niemals alleine weinen lassen, sondern sie immer unmittelbar und liebevoll trösten. Studien in mehreren Ländern haben gezeigt, dass die Kinder auf längere Sicht dann weniger weinen, wenn die Eltern in der Nacht prompt auf ihr Weinen reagieren und die Babys unmittelbar trösten.

Welches Vorgehen empfehlen Sie Familien, wenn der Umzug ins eigene Kinderzimmer ansteht?

Es gibt es eine bindungsorientiere Methode, sein Kind an das Schlafen und auch das selbstständige Einschlafen in einem eigenen Zimmer zu gewöhnen, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und sehr gut funktioniert.
Die Eltern bringen ihr Kleinkind in sein Bett und verlassen den Raum.
Wichtig ist es, dass ein Elternteil jedes Mal, wenn es weint und ruft, sofort und zuverlässig wieder in den Raum kommt und es tröstet. Dies sollte in einer Nacht immer der gleiche Elternteil sein. Dann geht er wieder raus. So lernt das Kind, dass sein Bett ein sicherer Ort zum Schlafen ist und Mama oder Papa immer kommen, wenn es nach ihnen ruft.

Ist es normal, wenn Kinder zum Einschlafen weinen? Wie reagieren Eltern am besten da drauf?

Oft ist es normal, dass Kinder zum Einschlafen weinen. Wenn sie müde oder vielleicht schon übermüde sind, dann stehen sie oft noch unter Stress und sind von den vielen Erfahrungen und Eindrücken des Tages angespannt. Weinen bedeutet immer, dass die Stresstoleranzschwelle überschritten ist. Durch das Weinen baut man einen Teil seines Stresses ab. Das ist nicht nur bei Babys und Kindern so, sondern auch bei Erwachsenen. Wenn das Kind zum Einschlafen weint, ist es als Elternteil sehr normal, dabei zu sein, seine Hand zu halten und es zu trösten, auch, es auf den Arm zu nehmen, denn liebevoller Körperkontakt ist in der Regel der beste Tröster.
Wenn das Kind aber schon am Einschlafen ist, das Elternteil aus dem Zimmer raus gehen will und das Kind dann anfängt zu weinen, muss man wieder zu ihm gehen, es trösten und bei ihm bleiben, bis es sich beruhigt hat und so sicher in den Schlaf finden kann.

Buch Safe_Erziehung_Bindung_Kleinkind_Baby_sicherWie Babys bindungsorientiert lernen, alleine in einem Raum zu schlafen und einzuschlafen beschreibt Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch in seinem Buch „SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern“ das 2014 in der 7. Auflage im Klett-Cotta Verlag erschienen ist. Darin finden werdende und junge Eltern auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse Hilfestellungen zu vielen Situationen aus dem Alltag mit einem Baby. „SAFE –Sichere Ausbildung für Eltern“ kostet 18,00 Euro.

 

 

Weitere interessante Themen für Eltern haben wir auf unseren Familienseiten zusammengestellt.